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Rezension

Rezension: „Die neuen Frauen“ von Barbara Beuys

Isabel Busch, Januar 2016 / April 2020
Buchcover Die neuen Frauen von Barbara Beuys

Barbara Beuys beschäftigt sich in ihrem Werk „Die neuen Frauen. Revolution im Kaiserreich: 1900-1914“ mit der Entwicklung der sogenannten „ersten Frauenbewegung“ („first-wave feminism“). Wobei die Zeitangabe im Untertitel irritiert, denn Beuys beginnt mit ihren Darstellungen im Jahr 1848, nicht 1900. Dafür nutzt sie mehrere Einzelbeispiele von Frauenbiografien, die sie im Verlauf ihres Buchs immer wieder aufgreift (z. B. Clara Immerwahr/Haber) und in einen gesamtpolitischen/ -sozialen Kontext stellt. Beuys behandelt beispielsweise die Themen Bildung, Ehe, Mutterschaft und Beruf.

In ihrem Einstieg geht Barbara Beuys direkt in medias res, indem sie die Pionierin der Frauenbewegung Louise Otto-Peters in den Mittelpunkt rückt. Beuys beginnt mit einem Zitat, dem Motto der Frauen-Zeitung von Louise Otto-Peters: „´Dem Reich der Freiheit werb´ ich Bürgerinnen´“ (11).

Somit stellt sie die Biografien der Frauen in einen Kontext, der die Mentalität der Zeit wiederspiegelt. Sie bettet die Ereignisse außerdem in einen gesamtpolitischen Kontext ein, z. B. indem sie das Revolutionsjahr 1848 ausführlich erklärt. Neben der Teilhabe der Frauen an der Politik ist Frauenbildung ein zentrales Thema von Beuys: Anhand von Franziska Tiburtius und ihrer spätere Schwägerin Henriette Hirschfeld-Pagelsen (später Tiburtius) geht Beuys darauf ein, dass Frauen aus Deutschland, die Medizin studieren wollten, ins Ausland gehen mussten. Sie beschreibt anschaulich, wie diese Studentinnen auch dort teilweise feindselige Reaktionen erlebten. Beuys gewährt einen Einblick in die unterschiedlichen Sichtweisen von deutschen und Schweizer Akademikern zum Thema Frauen und höhere Bildung durch Zitate. Beuys legt dar, wie Militarismus und politische Partizipation im Kaiserreich miteinander verknüpft worden sind. Ebenso seien Antifeminismus und Antisemitismus aneinander gekoppelt gewesen.

Die Sozialdemokratie findet speziell Erwähnung, insbesondere wie Frauen wie Clara Zetkin die Frauenfrage und Klassenkampf miteinander verknüpften. Zudem stellt Beuys anschaulich die verschiedenen Lebensumstände der dargestellten Frauen gegenüber, z. B. das Leben der Schriftstellerin Gabriele Reuter, die sich der heuchlerischen Doppelmoral des Bürgertums, unter der die Frauen zu leiden hatten, thematisch annahm.

Die Autorin setzt sich kritisch mit der historischen Darstellung Helene Langes und Minna Cauers auseinander. Sie benennt auch immer wieder Beispiele für Paare, wie Marianne und Max Weber, deren Ansprüche an eine gleichberechtigte Ehe an der Realität scheiterten. Dabei drängen sich auch die Parallelen zu Paaren im 21. Jahrhundert auf. Beuys arbeitet stilistisch Gedanken der Zeitgenossen ein und kommentiert diese bissig: „Da kamen sie wieder zum Vorschein, die alten Schubladen mit den Etiketten ´weiblich´ und ´männlich´. In der Sache selbst waren dem Berichterstatter offenbar die Argumente ausgegangen“ (87). Sie thematisiert, dass das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) von 1900 die Rechtlosigkeit der Frau im Familienrecht beibehielt und sogar verschlimmert hatte.

Beuys setzt sich kritisch mit der Tatsache auseinander, dass einige der Frauenrechtlerinnen fasziniert von der Eugenik waren. Der Vorabend des ersten Weltkrieges nimmt eine zentrale Stelle ein. Die Autorin zeichnet die Geschehnisse im Vorfeld tagebuchgleich und quasi wie bei einem Countdown nach. Dabei revidiert sie die allgemeine geschichtswissenschaftliche Meinung zur angeblich allumfassenden Kriegsbegeisterung in Deutschland. Besonders richtet sie das Augenmerk auf den großen Widerstand gegen den Krieg, auch international, der sich unter den Frauenrechtlerinnen verbreitete, die sich noch vor Beginn des Krieges zu einem Internationalen Friedenskongress trafen. Beuys übt auch deutlich Kritik an der generellen historischen Meinung, der Krieg habe die Erwerbstätigkeit der Frauen gefördert.

Fast zum Schluss geht sie auf das tragische Ende einer Frau ein, deren Schicksal immer wieder während des Buches eingestreut wurde: Clara Haber, geborene Immerwahr. Das Buch endet mit der Psychologin Karen Horney, die eine weibliche Psychologie entwickelte und ihren Geschlechtsgenossinnen den Rat gab, sich an den Diskussionen um Geschlechterunterschiede nicht zu beteiligen, da Männer stets mit der Biologie, also den vermeintlich angeborenen Eigenschaften der Frauen, argumentieren würden. Die Autorin schließt daran anknüpfend ab: „(Daran hat sich bis ins 21. Jahrhundert nichts geändert.)“ (356).

Barbara Beuys hat ein Werk geschaffen, das anschaulich die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen für Frauen (von Frauen) von 1848 bis 1914 nachzeichnet. Dabei bedient sie sich einer alles anderen als trockenen Sprache. Sie spart nicht mit Sarkasmus und Witz, wenn es darum geht, (aus heutiger Sicht) abstruse Gedankengänge zu kommentieren, die sich gegen die Gleichberechtigung richteten. Beuys macht deutlich, dass mehr oder weniger gleiche Mechanismen bis heute wirksam sind, die eine völlige Gleichberechtigung verhindern.

In dem Werk hat sich ein inhaltlicher Fehler eingeschlichen: Beuys behauptet, dass Bertha von Suttner als erste Person überhaupt den Friedensnobelpreis erhielt. Dabei war sie die erste Frau die den Preis verliehen bekam. Dennoch: Das Herzstück bilden die Frauenbiografien, die vielschichtig sind und die Komplexität von Frauenleben aufzeigen. Dabei beschreibt Beuys nicht nur anschaulich diese Biografien, sondern lässt die Frauen mit Zitaten selbst zu Wort kommen.

Zum Buch

Beuys, Barbara: Die neuen Frauen. Revolution im Kaiserreich: 1900-1914, München: Carl Hanser Verlag, 2014. 384 Seiten, 24,90 €, ISBN-13: 978-3446244917.

Verfasst von

Isabel Busch, M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin Haus der FrauenGeschichte (HdFG), Bonn.

Empfohlene Zitierweise

Isabel Busch (2016/2020): Die neuen Frauen, in: Haus der FrauenGeschichte (HdFG), Bonn.

                                URL: https://www.hdfg.de/blog/2020/04/rezension-die-neuen-frauen