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Rezension

Rezension: „The Lives of Tudor Women“ von Elizabeth Norton

Isabel Busch, Februar 2018/April 2020
Buchcover History, Fiction, and The Tudors von William B. Robison

Elizabeth Norton, eine Autorin, die sich bereits mehrfach mit der Tudor-Ära fachlich beschäftigt hat, widmet sich in diesem Werk den Frauen, die in England unter der Tudor-Dynastie gelebt haben.

Es deckt Biografien einer Gruppe ausgewählter Frauen aus dem Zeitraum zwischen 1485 und 1603 ab. Dabei konzentriert sie sich auf eine große soziale Bandbreite von Frauen, wenn sie über die Tudor-Frau spricht: „a princess, a queen, a noblewoman, a merchant´s wife, a servant, a rebel, a Protestant and a Catholic. She was wealthy, she was poor“ [eine Prinzessin, eine Königin, eine Adlige, die Frau eines Kaufmanns, eine Dienerin, eine Rebellin, eine Protestantin und eine Katholikin. Sie war wohlhabend, sie war arm] (1). Elizabeth Norton möchte die geteilten Erfahrungen, nicht die individuellen Schicksale, dieser Frauen umreißen, um zu einer Art von gemeinsamer Frauengeschichte zu gelangen. Norton greift die Renaissance- / Shakespeare-Idee der „sieben Alter“ im Leben des Menschen bzw. Mannes auf (d. h. Lebensphasen) und wendet diese bei den von ihr vorgestellten Frauen an. Sie wertet die generelle Situation der Frauen zu Tudor-Zeiten.

Zu Beginn des ersten Kapitels des „ersten Alters“ („First Age“), „Of Babies and Bellies“, zeigt sich eine der Hauptstärken der Autorin. Sie beschreibt anschaulich eine lebendige Szene und präsentiert die Frauen auf erzählerische Art: „Towards the end of January or early February 1492, Queen Elizabeth of York, felt a familiar fluttering in her womb—a fluttering that provided proof she had conceived for the fourth time“ [Gegen Ende Januar oder zu Anfang Februar 1492 spürte Königin Elizabeth of York eine bekannte Unruhe in ihrem Unterleib—eine Unruhe die den Beweis dafür lieferte, dass sie zum vierten Mal ein Kind empfangen hatte] (7). Norton bettet die Szene anschließend in den historischen Kontext ein. Dabei ist sie sich der Geschlechterfrage in der Tudormentalität bewusst: „The question of gender would gnaw at the minds of many Tudor parents as the mother´s sickness subsided and her stomach began to swell. The wealthier sort of parents could interrogate their physicians on the sex“ [Die Frage nach dem Geschlecht muss viele Tudor-Eltern beschäftigt haben, als die Übelkeit der Mutter nachließ und ihr Bauch anfing zu wachsen. Die wohlhabenderen Eltern konnten ihre Mediziner über das Geschlecht ausfragen] (8).

In jedem Kapitel sind Exkursions-Passagen enthalten (der Begriff wird von der Autorin dieser Rezension verwendet), die sich auf verschiedene Gesellschaftsschichten konzentrieren. Norton beschreibt beispielsweise, wie weibliche Häftlinge Schwangerschaften benutzten, um ihre Hinrichtung aufzuschieben/ zu verhindern („pleading the belly“). Damit wird sie ihrem Anspruch gerecht, nicht nur über die Frauen des Adels zu berichten.

Sie zieht einige Parallelen zur heutigen Zeit. Beim Vergleich der beiden Epochen zeigt Norton Paradigmenwechsel bezüglich spezifischer Aspekte auf, z. B. Stillen. Wenn Norton darüber berichtet, wie Spiele und Spielzeug den Mädchen in der Tudor-Ära ihren Platz in der Welt lehren, wäre auch eine Parallele zur heutigen Zeit sinnvoll (gewesen), hinsichtlich des aktuellen Diskurses über den Geschlechterdualismus bei der Kindererziehung.

Bezüglich der Bildung für Mädchen berichtet die Autorin kritisch über und zitiert Gedanken zum Thema Mädchen-/Frauenbildung aus der Zeit, die häufig verächtlich ausfielen. Von einer geschichtswissenschaftlichen Perspektive aus betrachtet, ist es interessant, dass Norton die Bedeutung korrigiert, die bis dato den Nonnenklöstern hinsichtlich der Mädchenbildung beigemessen wurde.

Bezüglich des Themas „Sin and servitude“ in der Exkursions-Passage „Of Servants and Masters“, erwähnt sie zum einen eine amüsante Anekdote über sexuelle Beziehungen zwischen einem Hausherrn und einer Dienerin, zum anderen spricht sie die finstere Seite dieser Art von Beziehungen an. Sie erwähnt allerdings nicht, dass diese Frauen mit hoher Wahrscheinlichkeit als Bettlerinnen endeten oder in die Prostitution gezwungen wurden (Kuhn, Annette (Hrsg.). Die Chronik der Frauen, 365.). Ebenso wenig geht sie darauf ein, dass das zur Anzeigebringen von Vergewaltigungen Frauen oft nicht geholfen hat, dies sogar heute häufig der Fall ist.

Im „Third Age“-Abschnitt behandelt sie die Themen Liebe, Ehe und Sexualität, und spricht verschiedene Aspekte an, die auch heute relevant sind, wie Empfängnisverhütung. Sie klärt über übliche Irrtümer zu diesem Thema auf und bezieht sich stattdessen zum Beispiel auf archäologische Funde. Damit stellt sie interessante Informationen zur Verfügung zu Themen, die bisher kaum so detailliert in anderen Werken zu dieser Epoche behandelt wurden.

Sie umreißt die Unterschiede zwischen „Frauen“ und „Männer“-Arbeit, und hält den damaligen Konventionen die Realität entgegen. Sie erweitert das Thema Frauenarbeit im „Fourth Age“-Abschnitt, wo sie betont, dass selbst verheiratete Frauen mit Kindern sich im Handel und im Geschäftsleben selbst verwirklicht hätten. Norton betrachtet Prostitution in der Tudor-Zeit zum größten Teil als eine freiwillige Beschäftigung, bei der Frauen gut verdient hätten. Dies ist eine eher einseitige Darstellung, sowohl aus historischer als auch aus gegenwärtiger Perspektive. Hier fehlt der Diskurs zu dem Thema.

Andererseits stellt sie am Beispiel eines Falls, der vor Gericht kam, kluge Vermutungen an, wenn sie die Frage diskutiert, in welchem Ausmaß häusliche Gewalt gegen Frauen akzeptiert war. Sie evoziert eine düstere Szene, wenn sie erzählt wie zänkische („scolding“) Frauen bestraft wurden, nämlich mittels eines sogenannten Tauchstuhls („cucking/ ducking stool“).

In den Kapiteln, die die berühmte Geschichte behandeln, wie Katharina von Aragón durch Anne Boleyn ersetzt wurde, bezieht Norton keine Stellung im Sinne von entweder „Pro-Katharina“ oder „Pro-Anne“. Dies ist insofern bemerkenswert, da von jeher das Einnehmen einer Seite die Diskussion um diese Angelegenheit bestimmte, obwohl es auch schon Autor*innen gab, die für beide Frauen Verständnis zeigten wie Antonia Fraser in „The Six Wives of Henry VIII“.

An einigen Stellen finden sich faktische Ungenauigkeiten; so schreibt Norton beispielsweise, dass Elizabeth I. sich lediglich aus Gründen des politischen Kalküls von der Hinrichtung Maria Stuarts distanziert habe. Inzwischen ist es hinreichend belegt, dass Elizabeth die Hinrichtung Maria Stuarts aus eigener Überzeugung heraus verabscheute (vgl. Somerset, Anne, Elizabeth I., S. 558.).

Norton beendet ihren Haupttext auf geradezu poetische Art, um zu demonstrieren, wie sich der Kreis schließt: „The second Elizabeth Tudor had been blessed with time. Death—the dancing master that had led away her infant aunt of the same name, had failed to find her in her own childhood or steal her away in the perils that could strike at any stage of life (Die zweite Elizabeth Tudor war mit Zeit gesegnet gewesen. Tod—der Tanzlehrer, der ihre Tante mit gleichen Namen als Kleinkind fortgenommen hatte, scheiterte damit, sie in ihrer eigenen Kindheit zu finden, oder sie fortzustehlen im Zuge der Gefahren, die in jeder Lebensphase hätten zuschlagen können)” (327f.) Sie vollendet diesen Kreis im Epilog, wo sie die Tudor Ära mit dem Beginn des Stuart-Zeitalters verbindet.

Fazit: Elizabeth Norton hat insgesamt ein gut recherchiertes und unterhaltsames Werk geschaffen über die verschiedenen, und manchmal auch ähnlichen, Lebenserfahrungen von Frauen des Tudor-Zeitalters. Sie konzentriert sich nicht ausschließlich auf berühmte Tudor-Frauen wie Anne Boleyn. Indem sie eher unbekannte, scheinbar unbedeutende (im Kontext der großen politischen Machtspiele) Frauen mit einbringt, präsentiert Norton eine umfangreiche Darstellung vom Leben der Tudor-Frauen. Norton beweist ihre erzählerischen Fähigkeiten, indem sie Kapitel mit Teasern verbindet, die beinahe als Cliffhanger fungieren. Zudem wendet sie mit dem Fokus auf Frauenbiografien eine zentrale Methode der Frauengeschichte an, bei der Biografien von Individuen in einen historischen Kontext platziert werden. Ihre Sprache ist sehr lebendig, insbesondere wenn sie Szenen evoziert. Es wäre wünschenswert gewesen, wie oben angesprochen, wenn sie weitere Parallelen zur heutigen Zeit gezogen hätte und damit mehr zentrale aktuelle Fragen von Frauenrechten eingegangen wäre. Alles in allem ist das Werk eine höchst informative, erfreuliche und empfehlenswerte Lektüre.

Zum Buch

Norton, Elizabeth: The Lives of Tudor Women, London, UK: Head of Zeus, 2016. 416 Seiten, ISBN-13: 978-1784081768.

Verfasst von

Isabel Busch, M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin Haus der FrauenGeschichte (HdFG), Bonn.

Empfohlene Zitierweise

Isabel Busch (2018/20): History, Fiction and the Tudors, in: Haus der FrauenGeschichte (HdFG), Bonn.

                                URL: https://www.hdfg.de/blog//2020/04/rezension-history-fiction-and-the-tudors