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Frauen in der Weimarer Republik

Frauen in Kultur (III): Kabarett

Frauenemanzipation in der Weimarer Republik Teil 5

Isabel Busch, 17. September 2020

Dieser Artikel behandelt einige der Frauen, die die Weimarer Kabarettszene entscheidend geprägt haben – als Künstlerinnen sowie als Leiterinnen einer Kabarettbühne. Neben allgemeinen politischen und sozialen Inhalten, behandelten diese Frauen auch frauenspezifische Themen auf satirische Art. Heutzutage scheint die große politische Kabarettbühne größtenteils den Männern zu gehören.

„Ein Brettl gegen die da oben“: Die Anfänge des Kabaretts

Ernst Freiherr von Wolzogen gründete 1901 in Berlin die erste Kabarettbühne, ein sogenanntes Brettl, das „Über-Brettl“; „´Zur Erziehung der lieben Deutschen, zur Anmut und seelischen Leichtigkeit´“ (zitiert in Wittmers). Als Vorbild dienten französische Künstlerkabaretts, wie „Le chat noir“, am Montmartre. Die Sängerin und Lautenspielerin Elsa Laura Seemann von Mangern (1876–1945), spätere Ehefrau von Wolzogen, trat im „Über-Brettl“ auf und arbeitete auch als Textautorin und Komponistin. Um die Zensurbehörden nicht gegen sich aufzubringen, verzichtete Wolzogen auf Spitzen gegen die Politik. Zwei Jahre später musste Wolzogen schließen. 1901 entstand in München ein deutlich politischeres Kabarett, die „Elf Scharfrichter“. Die gebürtige Französin Marya Delvard (1874–1965) wurde dort zum großen Star und trug auf der Bühne unter anderem speziell für die Brettl verfasste Lieder von Frank Wedekind vor. Eine der dominanten Vortragsformen des Kabaretts war das literarische Chanson, das satirische, bissige, freche, oft auch sexuell anzügliche Inhalte transportierte. Dementsprechend waren die Zensurbehörden stets eine große Gefahr für die künstlerische Freiheit dieser ersten Großstadtkabaretts. Nichtsdestotrotz wirkten Frauen nicht nur als Sängerinnen, Tänzerinnen und Schauspielerinnen auf der Bühne, sondern auch dahinter als Autorinnen und Komponistinnen. Die Münchner Gastwirtin Kathi Kobus (1854–1929) eröffnete 1903 das Kabarett „Simplicissimus“ („Simpl“), das sie mit Unterbrechung bis zu ihrem Tod 1929 leitete.

Das Kabarett in der Weimarer Republik: „Es weht (…) ein Zug der Emanzipation“

Als 1918 nach dem Krieg die Kinos, Theater und andere Kulturbetriebe wieder ihre Pforten öffnen durften, trat das Kabarett in eine neue Ära ein. Der Zeitgeist erforderte mit der schwierigen politischen und sozialen Situation eine neue Radikalität in der künstlerischen Ausdrucksform. Politische und soziale Missstände wurden öffentlich angeprangert; die instabile Demokratie (vgl. Frauen in der Politik: Wählerinnen und Politikerinnen), gleichermaßen wie die inflationäre Armut. Frauen nutzten die Chance, die ihnen der feministische Zeitgeist verschaffte, und gründeten ihre eigenen Kabaretts. Rosa Valetti (1876–1937) übernahm das „Café des Westens“ am Kurfürstendamm und eröffnete 1920 das „Cabaret Größenwahn“. Valetti war glühende Pazifistin und beschäftigte als Hausautoren Kurt Tucholsky. Seine Antikriegs-Texte trug Valetti auf der Bühne, als Lieder musikalisch vertont, vor. So schrieb er beispielsweise für sie die „Rote Melodie“ (Musik: Friedrich Hollaender), eine Warnung vor einer erneuten Kriegsbegeisterung und ein Angriff auf General Ludendorff. Valetti förderte auch aktiv Frauen auf der Bühne, wie die Sängerin Kate Kühl (1899–1970). Diese trat später selbst mit der „Roten Melodie“ auf. Im „Größenwahn“ entstand unter Valettis Leitung das schärfste politisch-literarische Kabarett der Zeit. Sie war zudem Schauspielerin, so wirkte sie in Der blaue Engel mit und hatte einen Gastauftritt in M–eine Stadt sucht einen Mörder. Wie viele der Stars der Berliner Künstler*innenszene gehörte sie zur Urbesetzung der Dreigroschenoper; sie spielte Frau Peachum. Kate Kühl wurde als Lucy besetzt. Trude Hesterberg (1892–1967) war ebenfalls bereits als Sängerin und Schauspielerin aufgetreten, als sie 1921 ihr eigenes Kabarett, die „Wilde Bühne“, eröffnete. Zuvor hatte sie bereits im renommierten Kabarett „Schall und Rauch“ vertonte Texte von Erich Kästner, Kurt Tucholsky und Friedrich Hollaender vorgetragen. So wie Tucholsky Hausautor für Rosa Valetti war, schrieb hauptsächlich Walter Mehring die Texte für Trude Hesterberg. Später erzählte Hesterberg die Anekdote, wie Mehring eines Tages einen spindeldürren, blassen jungen Mann mitbrachte, der bei ihr auf der Bühne auftreten wollte. Dieser Anekdote zufolge verlief das Gespräch folgendermaßen: Hesterberg rief bei der Vorstellung des Manns durch Mehring aus: „Ach du lieber Gott“. Darauf erwiderte der Mann: „Das hat mit dem lieben Gott gar nichts zu tun.“ Hesterberg antwortete ihrerseits darauf: „Ja ja; Sie sehen auch mehr aus als ob Sie mit dem Teufel was zu tun hätten.“ Der junge Mann konterte: „Na, was is´n das für´n Unterschied?“ Bei diesem jungen Mann handelte es sich um Bertolt Brecht. Mit seiner pazifistischen „Ballade vom toten Soldaten“, die er auf Trude Hesterbergs Bühne vortrug, löste er Reaktionen der Entrüstung aus. Als 1925 der Reichsrundfunk anfing, Einzug in die deutschen Wohnzimmer zu halten, nutzten die Kabarettist*innen die neue Möglichkeit, die ihnen das Medium Radio bot. Dazu gehörte Trude Hesterberg, die Tucholskys Antikriegs-Gedicht „Das Leibregiment (Die Trommel)“, vertont von Werner Richard Heymann, live im Radio vortrug. Das Radio war aber auch der Zensur unterworfen. Wie der Rundfunkpionier Alfred Braun später erzählte, gab es im Liedtext eine „Anstößigkeit“ (Braun zitiert in Wittmers), die nicht gesendet werden sollte. Da Trude Hesterberg auf den Originaltext beharrte, klemmte ihr der Sender während der Aufnahme die Drähte vom Mikrofon ab, als die besagte Zeile auftauchte. Die vermeintlich anstößige Zeile lautet: „Es sterben auch mal Generale“.

Feminismus in Kabarettliedern und eine Berliner Schnauze aus dem Ruhrpott

Die in Gelsenkirchen als Clara Wortmann geborene Claire Waldoff (1884-–) gilt heute als die personifizierte „Berlinerin mit Herz und Schnauze“. Sie hatte an Gymnasialkursen für Mädchen in Berlin teilgenommen, die Mädchen ein Abitur ermöglichen sollten, das ihnen an den regulären Schulen verwehrt wurde. Waldoff wollte ursprünglich Ärztin werden, was die finanzielle Situation jedoch nicht zuließ. Daher wurde sie Schauspielerin, und schließlich machte sie, bereits vor dem ersten Weltkrieg, Karriere mit Kabarettchansons auf den Kleinkunstbühnen. Sie trat dabei gern im Herrenanzug – in einem sogenannten Etonboyanzug – auf. Waldoff schrieb zum Teil eigene Lieder – entweder die Texte, wie bei „Det Scheenste sind die Beenekins“ (1910/ Musik: Walter Kollo), oder die Melodien, wie bei „Das moderne Mädel“ (1930/Text: Erich Kersten). In den Liedern, die sie kraftvoll von den Bühnen schmetterte, ging es nicht selten um die Emanzipation der Frau, zum Beispiel in „Raus mit den Männern aus´m Reichstag“ (1926/ Musik + Text: Friedrich Hollaender). Die Lieder karikierten aber auch Geschlechterklischees, wie in „Jott. was sind die Männer dumm“ (1917/1918/ Musik: Walter Kollo, Text: Rideamus). In „Wegen Emil seine unanständige Lust“ (1929/ Musik: Paul Strasser, Text: Julian Arendt) verspottet Waldoff den Schönheitswahn, der Frauen zum Schönheitschirurgen trieb

„Ick lass mir nich die Neese verpatzen
Wegen Emil seine unanständije Lust
Ick lass mir nich det Fett aus der Oberschenkel kratzen
Wegen Emil seine unanständije Lust

Wie ick bin hat ja der Emil schon immer jewusst
Ja da hätt er mir eben nicht nehmen jemusst
Ick lasse keenen Doktor ran an meine Brust
Wegen Emil seine unanständije Lust“

Waldoff besang auch das soziale Elend, das seit der Weltwirtschaftskrise 1929 rasant zunahm, und die Belange der Arbeiter*innenschicht. Nachdem sie 1932 für die „Rote Hilfe“, eine kommunistische Hilfsorganisation, aufgetreten war, erhielt sie 1933 durch die Nationalsozialisten vorübergehend Berufsverbot. Zeitweise durfte sie noch auf die Bühne, wurde aber wegen ihres androgynen Auftretens und der Inhalte ihrer Lieder mit Missfallen beäugt. Insbesondere missfiel Reichspropagandaminister Goebbels die vom Publikum hinzu gedichtete Zeile im Lied „Hermann heeßt er“, das bereits 1913 ein großer Hit von Claire Waldoff war. Die neue Liedzeile stellte einen eindeutigen Bezug zu Hermann Göring her: „Rechts Lametta, links Lametta und der Bauch wird immer fetta und in Preußen ist er Meester - Hermann heeßt er!“

Claire Waldoffs Karriere war, wie die von vielen Kleinkünstler*innen im Nationalsozialismus, dem Untergang geweiht. Sie trat bis 1946 immer seltener auf und zog sich mit ihrer Lebensgefährtin Olly Freifrau von Roeder nach Bayern zurück, wo sie bis zu ihrem Tod 1957 immer mehr in Armut und Vergessenheit geriet. Andere Kabarettist*innen, wie Dora Gerson (1899–1943), landeten, auch wegen ihrer jüdischen Herkunft, im KZ und wurden dort ermordet.

Claire Waldoff  und Erika Mann
Links: Claire Waldoff (1884-1957), Bildquelle: Bundesarchiv, Bild 183-R07878 / CC BY-SA 3.0 de.
Rechts: Erika Mann (1905-1969), Bildquelle: By Library of Congress. New York World-Telegram & Sun Collection, Public Domain.

„Es ist die Dummheit, die wir am meisten zu befürchten haben“ (Erika Mann) – Widerstand im Kabarett

Das deutsche, scharfe politische Kabarett, das auch anderen Frauen, wie z.B. Blandine Ebinger (1899–1993), Liesl Karlstadt (1892–1960), Isa Vermehren (1918–2009) und Ursula Herking (1912–1974) diverse Ausdrucksmöglichkeiten verschaffte, neigte sich vorerst seinem Ende entgegen. Erika Mann (1905–1969) war die letzte Frau, die im Januar 1933 in München mit ihrem Bruder Klaus, der Schauspielerin Therese Giehse und dem Komponisten Magnus Henning ein Kabarettensemble, „Die Pfeffermühle“, ins Leben rief. Erika Mann verfasste den größten Teil der Texte selbst und trat als „Conférencière“ auf. Die Funktion einer Conférencière/eines Conférenciérs besteht im Kabarett oder im Varieté darin, anzusagen, zu moderieren und auch selbst vorzutragen

Bald musste sich der Großteil des Ensembles, zu dem auch Therese Giehse und der Schauspieler Max Schreck (besser bekannt als Nosferatu in F. Murnaus gleichnamigen Filmklassiker) gehörten, ins Exil begeben, da der Druck durch die Nationalsozialisten zu groß geworden war. Ein Kabarett nach dem anderen sah sich gezwungen, sich entweder anzupassen oder zu schließen. Im europäischen Ausland feierte „Die Pfeffermühle“ viele Erfolge unter den Exildeutschen. Die Märchen und Parabeln, die Erika Mann schrieb, kritisierten das NS-Regime auf subversive, aber doch unmissverständliche Weise. Der Schriftsteller Joseph Roth bescheinigte der „Pfeffermühle“, „sie machen zehnmal mehr gegen die Barbarei als alle Schriftsteller zusammen“ (Roth zitiert in Maerker).

Therese Giehse verkörperte im ersten Exilprogramm (Herbst 1933 in Zürich) auf der Bühne unter anderem eine durchschnittliche Ladenbesitzerin, „Frau X“, die die politische Situation und den Krieg, der zu dem Zeitpunkt nur erahnt werden konnte, gleichgültig hinnimmt. Der Ton des Textes, der heiter mit den Alltagsproblemen der Frau X beginnt, wird dabei immer düsterer:

„Und gibt es Krieg, dann muss es ihn halt geben,--
Wozu denn sonst das Militär im Land?
Die Industrie will schließlich weiterleben.
Ich und mein Mann, wir haben´s längst erkannt.
(…)
Am Ende liegt die Welt in Schutt und Trümmern.
Die wir so listig-tüchtig aufgebaut-
Das Giftgas schwelt in unsern guten Zimmern--
Ich und mein Mann, wir geben keinen Laut.“

Eine andere Paraderolle der Giehse war die „Dummheit“ im zweiten Exilprogramm (Januar bis Februar 1934 in Zürich), die als Person (laut dem ehemaligen Ensemblemitglied Igor Pahlen) mit der Germania gleichzusetzen sei, frei zugibt:

„Der Leute Hirn verklebe ich,
ich nag an der Substanz.
Von ihrem Stumpfsinn lebe ich,
es ist ein toller Tanz.
Besonders bin ich eingestellt,
auf Herren, die regier´n.
Und die auf dieser ganzen Welt
mich freudig akzeptier´n.
Die Herren tun alles, was ich will
in blut´ger Narretei.
Und ihre Völker halten still.
Denn ich bin stets dabei.
Ja, um Gotteswillen, bin ich dumm!“

„Die Pfeffermühle“ war aber auch im europäischen Ausland nicht sicher. 1935 wurde Erika Mann ihre deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. „Die Pfeffermühle“ tourte noch bis 1936 in der Schweiz, den Niederlanden und der damaligen Tschechoslowakei, und floh dann ins weitere Exil. In den USA machte Erika Mann danach den Versuch, mit den auf Englisch übersetzten Texten Fuß zu fassen. Darin scheiterte sie allerdings, was sie selbst unter anderem darauf zurückführte, dass die Amerikaner*innen sich zu dem Zeitpunkt (1937) noch nicht für die Vorgänge in Europa interessierten.

Nach dem Ende des NS-Regimes waren es unter anderem wieder die Frauen, die politisches Kabarett machten und mitgestalteten: Lore Lorentz (1920–1994) eröffnete mit ihrem Mann Kay 1947 in Düsseldorf das „Kom(m)ödchen“, und Trude Kolman (1904–1969) gründete 1951 „Die kleine Freiheit“, für die unter anderem Erich Kästner Texte schrieb.

Frauenspezifische oder feministische Inhalte waren aber zunächst aus den Kabarettprogrammen verschwunden. Das änderte sich erst mit der Frauenbewegung der 70er Jahre, zum Beispiel mit dem „Aachener Frauenkabarett“ oder den „Bonner Blaustrümpfen“. Von 1985 bis 2005 waren Gerburg Jahnke und Stephanie Überall als Duo „Missfits“ mit feministischen Inhalten auf den Bühnen und im Fernsehen zu sehen.

Und heute?

Matthias Thiel vom Deutschen Kabarettarchiv in Mainz schätzt, dass der Frauenanteil im deutschen Kabarett derzeit rund 40% beträgt (Quelle: nordbayern.de/Nürnberger Nachrichten). Dennoch scheint es ein Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern zu geben: Das politische Kabarett, das sich mit Themen wie Wirtschaft, Innen- und Außenpolitik beschäftigt, wird von männlichen Kabarettisten dominiert. Einige Frauen, wie Simone Solga oder Lizzy Aumeier, haben es zwar auch in den Olymp des hohen Politkabaretts geschafft. In den meisten Kabarettsendungen im Fernsehen sind sie allerdings als Gäste in der Minderheit und eher Quotenfrauen.

Die Bloggerin Birte Vogel hat 2018 den Frauenanteil in sieben Kabarett- und Satiresendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen untersucht. Das Ergebnis: Alle untersuchten Sendungen wurden ausschließlich von Männern moderiert. Außerdem lag der generelle Anteil von Frauen, die sich in diesen Sendungen präsentieren konnten, zwischen 8% („Kanzleramt Pforte D“ im MDR) und 25% („Spätschicht“ im SWR). (Quelle: thea-blog.de)

Auf den Bühnen sieht es nicht viel anders aus. Vor Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 sah das Programm des Nürnberger Burgtheaters beispielsweise den Auftritt von 22 Männern und vier Frauen vor. Thiel bestätigt, dass Frauen für Bühnenprogramme seltener gebucht werden: „In der ersten Liga mit Solga oder Fitz ist das noch ziemlich ausgewogen, aber in der zweiten fällt es Männern leichter, Jobs zu bekommen.“ (zitiert in Nüchterlein). Seiner Meinung nach liegt das unter anderem daran, dass Kleinkünstlerinnen weniger flexibel, also „weniger kompromissbereit“ (zitiert in Nüchterlein) in der Programmgestaltung als die Männer seien. Ulrike Mendlik vom Burgtheater macht außerdem darauf aufmerksam, dass der Beruf des Kabaretts eher familienunfreundlich sei, was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschwere. Dies würde Frauen immer noch stärker als Männer betreffen.

Die meisten Kabarettistinnen sind eher in Sonderprogrammen zu finden: im Fernsehen in der rein weiblichen Sendung „Ladies Night“, oder auf den Bühnen im Rahmen des Satireprogramms „Sisters of Comedy“, das seit 2018 weiblichen Comedians und Kabarettistinnen deutschlandweit ein Forum bietet und Spenden für einen wohltätigen Zweck sammelt. Lizzy Aumeier bemängelt, dass solche rein weiblichen Formate den Geschmack eines „Exoten-Treffen[s]“ hätten (zitiert in Nüchterlein).

Inzwischen werden immer mehr Kabarettistinnen und weibliche Comedians mit feministischen Themen wie Schlankheitswahn, Mutterdasein oder Menstruation erfolgreich. Dabei werden teilweise Themen angesprochen, die bereits Claire Waldoff und ihre Kolleginnen auf die Bühne brachten; teilweise auch bisher tabuisierte Aspekte. Die Kabarettistin Ramona Schukraft bringt in der Rolle der Altenpflegerin Sybille Bullatschek ein Thema auf die Bühne, das Frauen spezifisch, da die Mehrheit im Pflegepersonal immer noch weiblich ist, aber auch die Politik allgemein anspricht. Maren Kroymann gehört seit Jahrzehnten zu den bekanntesten feministischen Kabarettistinnen. Carolin Kebekus, die seit einigen Jahren mit ihren eigenen Satireformaten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen große Erfolge feiert, spricht in ihren Sendungen regelmäßig feministische Themen an, wie den Gender Data Gap. Dabei scheut sie sich auch nicht, weitaus düstere Themen, beispielsweise Femizide, anzusprechen. Zudem gibt es mittlerweile auch mehr Comedians/Kabarettist*innen mit Migrationshintergrund, die erfolgreich sind, wie Idil Baydar, und so das Kabarett diverser machen.

Das Chanson, mit dem das Kabarett in Deutschland anfing, erlebt seit einiger Zeit eine Renaissance: Kleinkünstler*innen, wie Sarah Hakenberg, bringen ihre eigenen Texte in musikalischer Form auf die Bühne.

Dass Frauen sich weniger an vermeintlich höhere politische Themen wagen bzw. damit erfolgreich sind, hat Aumeier zufolge mit den Erwartungen des Publikums zu tun: „´Ich warte auf den Wendepunkt, an dem Frauen mit Ecken und Kanten und Übergewicht grundsätzlich genauso ernst genommen werden wie schlanke Männer in schicken Anzügen´“ (zitiert in Nüchterlein).

Kabarettistinnen zum Hören:

Claire Waldoff: „Wegen Emil seine unanständige Lust“

Kate Kühl: „Rote Melodie“

Trude Hesterberg: „Das Leibregiment“

Sarah Hakenberg in „Ladies Night“

Quellen und Tipps zum Weiterlesen

Förster, Evelin. Die Frau im Dunkeln. Autorinnen und Komponistinnen des Kabaretts und der Unterhaltung von 1901-1935. Edition Braus, 2013

Kaiser-Hayne, Helga. Beteiligt euch, es geht um eure Erde. Erika Mann und ihr politisches Kabarett die „Pfeffermühle“ 1933-1937. München: edition spangenberg, 1990.

Nüchterlein, Birgit. „Mit Witz und böser Zunge: Kabarettistinnen erkämpfen sich ihre Plätze“. Nordbayern.de/Nürnberger Nachrichten. 08.03.2020. https://www.nordbayern.de/kultur/mit-witz-und-boser-zunge-kabarettistinnen-erkampfen-sich-ihre-platze-1.9913677.

Lünstroh, Michael. „Es wird wieder gesungen“. Thurgaukultur.ch. 20.02.2019. https://www.thurgaukultur.ch/magazin/es-wird-wieder-gesungen-3927.

Roth, Sylvia. „Geliebte Revolverschnauze“. In: Schwarzer, Alice (Hrsg.). EMMA März/April 2017. 2017. S. 70-73.

Scheub, Ute. Verrückt nach Leben. Berliner Szenen in den zwanziger Jahren. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2000.

Schürmann-Mock, Iris. Frauen sind komisch. Kabarettistinnen im Porträt. Berlin: AvivA, 2019.

Vogel, Birte. "Nachgezählt: Frauen im Fernseh-Kabarett". Thea-blog.de. 23.05.2018. https://thea-blog.de/nachgezaehlt-frauen-im-fernseh-kabarett/.

Wittmers, Dagmar. Das Jahrhundert des Kabaretts. Folge 1: 1901-1932. (TV). Saarländischer Rundfunk, 2001.

Marker, Christa. Das Jahrhundert des Kabaretts. Folge 2: 1933-1948. (TV). Saarländischer Rundfunk, 2001.

Verfasst von

Isabel Busch, M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin Haus der FrauenGeschichte (HdFG), Bonn.

Empfohlene Zitierweise

Isabel Busch (2020): Frauenemanzipation in der Weimarer Republik. Frauen in Kultur (III): Kabarett, in: Haus der FrauenGeschichte (HdFG), Bonn.

URL:
                                https://www.hdfg.de/blog/2020/09/frauenemanzipation-in-der-weimarer-republik-teil-5