Besuch der Gedenkstätte für Internierung und Deportation – Lager Royallieu, Compiègne
Um eine Ausstellung über deutsche und französische Frauen im Zweiten Weltkrieg zu gestalten, muss man mindestens zwei Anforderungen erfüllen: zum einen die Geschichte dieser Frauen und den Kontext zu kennen, in dem sie ihre Aktionen durchführten und dabei oft ihr Leben riskierten. Zum anderen muss man das Prinzip der Museumsszenografie verstehen: den Werdegang dieser Kämpferinnen anhand von Objekten und anderen Dokumenten zu dokumentieren, die für ein Publikum inszeniert und ausgestellt werden.
Diese beiden Schwerpunkte des Projekts haben wir in wöchentlich stattfindenden Workshops behandelt. Sie wurden auch durch die im Laufe des Jahres 2023 organisierten Schulausflüge umgesetzt – insbesondere durch den Ausflug nach Compiègne, um das Lager Royallieu zu entdecken, das zur Gedenkstätte für Internierung und Deportation (Mémorial de l’internement et de la déportation) geworden ist.
Aktionen, die keine Spuren hinterlassen sollten: Wie kann man sie sichtbar machen?
Was war das Schicksal der weiblichen Widerstandskämpferinnen, die während der deutschen Besatzung verhaftet wurden? Wie kann man Aktionen sichtbar machen, die von ihrem Wesen her keine Spuren hinterlassen sollten? Wie ist es dem Mémorial Compiégnois gelungen, jeden dieser ebenso einzigartigen wie außergewöhnlichen Lebenswege zu dokumentieren? Dies waren einige der Fragen, mit denen sich die Schüler:innen des WEWIGENS-Projekts im Vorfeld der Exkursion auseinandergesetzt haben.
Diese Exkursion war etwas ganz Besonderes, da alle Deutsch-Schüler:innen der Abschlussklasse des Lycée Lamarck eingeladen waren, sich den Projektschüler:innen anzuschließen. So lernten rund 50 Jugendliche das Museum und das historische Zentrum der Stadt im Département Isarienne kennen.
Die Gedenkstätte in Compiègne
Empfangen wurde die Gruppe von Cyrielle Caudroy, die die Führung übernahm. Sie ging zunächst auf die Geschichte des Ortes ein. Das 1913 gegründete Camp Royallieu war zunächst eine Militärkaserne, die der französischen Armee gehörte. Im Jahr 1939 diente die Kaserne als sekundäres Evakuierungskrankenhaus und wurde 1940 zu einem Lager, in dem die deutsche Armee gefangene französische und britische Soldaten zusammenführte. Im Juni 1941 wurde das Lager zum „Frontstalag 122“. Die Wehrmacht internierte dort politische Gefangene, Angehörige verbündeter Länder (Sowjets, Amerikaner) und Juden. Das Lager Royallieu unterstand ausschließlich der deutschen Verwaltung und ab dem Sommer 1942 der Sipo-SD, d. h. dem nationalsozialistischen Sicherheitsdienst. Erst 2008 wurde Royallieu zu einer Gedenkstätte.
Nach diesem historischen Rückblick führte Cyrielle Caudroy die Gruppe durch die 12 Räume der drei einzigen verbliebenen Gebäude. Jeder dieser Räume ist Teil eines chronologisch-thematischen Rundgangs, der allgemeine Kontextinformationen mit Betrachtungen über das Schicksal der Internierten verbindet. Das Lager ist ein Ort voller schmerzhafter Geschichten, für die die Schüler:innen besonders empfänglich waren. Es gibt jedoch nur wenige Spuren und Dokumente, die den Alltag und die Haftbedingungen der rund 50.000 Menschen, die in diesem Durchgangslager waren, wiedergeben könnten.
Um das Leben im Lager anschaulich zu machen, stützte sich Cyrielle Caudroy auf innovative audiovisuelle Technologien, Originaldokumente oder Artefakte, die auf den Wänden der Gebäude reproduziert wurden. Sie erzählte beispielsweise auch von einer Angestellten, die in der Bar gegenüber dem Lager arbeitete und Nachrichten von Internierten abholte, um sie an die Familien zu schicken, bevor sie ebenfalls verhaftet und nach Ravensbrück geschickt wurde. Sie vermischte Anekdoten und historische Reflexionen mit den durchlaufenen Räumen und Orten. So zeigte sie die Überreste eines Fluchttunnels oder eine Kapelle, in der während des Krieges Hochzeitsfeiern stattfanden.
Natürlich wurde auch über die Deportation gesprochen, über die Konvois, die vom Bahnhof aus, zu dem die Gefangenen zu Fuß gebracht wurden, die Stadt in Richtung der Todeslager der Nazis verließen: Buchenwald, Auschwitz-Birkenau, Neuengamme, Mauthausen, Dachau oder auch Sachsenhausen oder Ravensbrück für die Frauentransporte.
Am Bahnhof auf den Gleisen selbst erinnert ein Viehwaggon, der von einem Gedenkgarten umgeben ist, an den Aufbruch der internierten Frauen und Männer auf eine Reise, die oftmals keine Rückkehr vorsah. Dieser zweite Teil des Tages wurde teilweise auf Deutsch abgehalten. So vermischte er erneut die beiden Disziplinen, die das Projekt tragen.